ZUR PERSON

„BEISPIELE 2005" Kulturpreise des Landes Oberösterreich, Katalog 2005
von Romana Ring



Gerhard Fischill gehört zu jenen – rar gewordenen – Architekten, die dem stolzen Anspruch
ihres Berufsstandes, die letzten umfassend gebildeten Gestalter unserer Gesellschaft zu
sein, mit ihrer Arbeit untermauern. Doch sollte man Gerhard Fischill nur dann einen
„Architekten der alten Schule“ nennen, wenn man damit das umfassende
Verantwortungsbewusstsein ansprechen will, mit dem er sich der Komplexität seiner
Projekte stellt. Die neuen Technologien, die die Arbeit in Architekturbüros wie auf Baustellen
gleichermaßen rasch verändern, hat Gerhard Fischill wie die meisten seiner Generation
selbstverständlich verinnerlicht. Er weiß sich ihrer zu bedienen, doch sie bedingen seine
Arbeit nicht. Seine Projekte sind nicht computergeneriert. Sie wären auf einem alten
Reißbrett in gleicher Intensität entstanden, denn Gerhard Fischill fragt nach jenem Wesen
der Dinge, das wohl über lange Zeiträume konstant geblieben ist. Es ist daher kein Zufall,
dass wichtige Teile seines Werkes der angemessenen Neudeutung historischer
Bausubstanz gewidmet ist.

So hält sich beispielsweise seine Adaptierung eines einfachen Wohnhauses aus dem Jahr
1937 am Abhang des Linzer Pöstlingberges eng an das Original und seine Intentionen, ohne
jedoch auf eine diskrete Dokumentation der technischen und gestalterischen Veränderungen
im Laufe seiner Geschichte zu verzichten. Das ursprüngliche Farbkonzept lebt vom Kontrast
des dunklen Holzes zum roten Dach, der mit dem blitzenden Blau der Fenstersprossen,
dem Rot der Fensterrahmen und dem Gelbton der Klappläden aufgefrischt wurde. Gerhard
Fischill hat diese Kombination nicht rekonstruiert, jedoch nachempfunden, sodass der gelbe
Ton jetzt von den Rahmen und Stöcken der neuen Fenster übernommen wird, die Sohlbänke
blau erstrahlen und die Fensterläden rot. Es sind Schiebeläden, die mit ihren Führungs-
balken die Fassade um ein zusätzliches gliederndes Element bereichern. Der Eingriff im
Dachgeschoss wird straßenseitig lediglich durch einen Lichtbrunnen sichtbar, der mit
seinem Volumen und der Verkleidung mit grauen Schindeln den Typus des Kamins
verkörpert und somit die Fläche des Daches nicht zerstört. Auf der Gartenseite wendet sich
das Haus nun mit einer großzügigen Glaskonstruktion dem Panorama zu. Das zarte
Edelstahlgeländer des davor liegenden Holzbalkons und die auf ein Minimum reduzierten
Profile der Balkontüre wie der scheinbar schwellenlose Übergang des Zimmerbodens ins
Freie verstärken den Zusammenhang zwischen Gebäude und Landschaftsraum.

Eine andere, über einen längeren Zeitraum und mehrere Bauphasen entstandene Arbeit,
geht noch weiter: der sogenannte Kreilhof in Hochburg/Ach wurde seitens seiner Eigentümer
mit Gerhard Fischills Hilfe nicht nur heutigen Vorstellungen von Komfort angepasst sondern
von einem konventionell bewirtschafteten Hof in einen modernen Dienstleistungsbetrieb
umgewandelt. Der erste Umbau betraf das Wirtschaftsgebäude: der ehemalige
Schweinestall wurde in ein Büro des Maschinenringes umgewandelt, das von der
eindrucksvollen Atmosphäre des gewölbten Raumes profitiert. Später wurde der
Wohnkomfort der Anlage durch einen überdachten privaten Freibereich mit Grillplatz und
Backofen gehoben, die ehemalige Hofeinfahrt mittels Verglasungen als Verbindung von
Wohn- und Wirtschaftstrakt nutzbar gemacht, die Einrichtung der Wohnstube wieder auf
eine dem Bäuerlichen entsprechende großzügige Einfachheit zurückgeführt und schließlich
ein weiterer Teil des Wirtschaftstraktes als Seminarraum mit Lehrküche adaptiert während
das darüber liegende Obergeschoss nun zur Gänze von einem weiten vielseitig
verwendbaren Raum eingenommen wird. In echtem Verständnis für das Wesentliche von Ort
und Aufgabe hat Gerhard Fischill für die Adaptierung eine unverkennbar anspruchsvoll
zeitgenössische Architektursprache gewählt und mit seinen ebenso klar wie sensiblen
Eingriffen dem Anwesen die – oft gänzlich unreflektiert mit dem Begriff des Ländlichen
verbundene Qualität des Idyllischen bewahrt.

Dieses ländliche Idyll respektive dessen Bewahrung bei gleichzeitiger durchaus urban
motivierter Nutzung ist auch das wichtige Thema jenes Wohnhauses im Gemeindegebiet
von Feldkirchen an der Donau, das heuer den Wettbewerb um „Das beste Haus“ in
Oberösterreich gewonnen hat. Der unregelmäßige Zuschnitt des Grundstückes, die – auch
hier punktuell bereits verdorbene – unprätentiöse Heterogenität der Nachbarhäuser und nicht
zuletzt die Lage am Rand des fruchtbaren Ackerlandes haben Gerhard Fischill bewogen,
eine Anlage zu entwerfen, die als Zusammenspiel von Innen- und Außenräumen die
Wertschätzung der Bauherrschaft für den Standort ihres Hauses widerspiegelt. Das
Hauptgebäude, ein schlichter länglicher, weiß verputzter, mit einem Satteldach gedeckter
Baukörper, weist der Straße im Westen seine Stirnseite zu. Die Gartenmauer fasst aus der
Fassade laufend in den Raum. Ein ebenerdiger Flügel erweitert das Raumangebot des
Wohnhauses im Erdgeschoss. Im Norden ist ihm die Garage mit einem Vorplatz zur Seite
gestellt. Dazwischen liegt ein Wirtschaftshof, der wiederum von einer Mauer und einem
Wandschirm aus Lamellen aufgefangen in den Garten übergeht. Das Badehaus mit dem
vorgelagerten Bassin markiert die nordöstliche Ecke des Gartens während die Weite der
Felder durch den Filter der Obstbäume über die Terrasse und durch die großzügige
Verglasung der Wohnräume bis ins Haus zieht.

Auch in der bislang einzigen von Gerhard Fischill realisierten öffentlichen Aufgabe, dem
Zubau einer Bibliothek für zwei Schulen: dem BORG und der HAK in Perg, sind Gefühl und
Wertschätzung für das Umfeld wesentliche Elemente des Entwurfs. An der Grenze
zwischen den beiden Schulhöfen gelegen bot der Bauplatz eine Vielzahl von Möglichkeiten
wirkungsvoller Interventionen: das Schließen der Hofräume, das Schaffen echter, weil
räumlich nachvollziehbarer Zusammenhänge zwischen den Schulen und nicht zuletzt das
Einbeziehen des Straßenraumes und des darin fließenden Verkehrs.

Der Neubau ragt im Obergeschoss als eingeschossiger, weiß verputzter Baukörper über
rechteckigem Grundriss aus der langen Front des winkelförmig angelegten BORG-Gebäudes
Richtung Straße. Das darunter liegende Geschoss ist aufgrund seiner Nutzung als
Unterstand für Fahrräder und Geräte zur Gänze aus Sichtbeton. Gerhard Fischill hat es zu
einer plastischen Komposition aus Scheiben, Balken und Säulen geformt, die weit über den
eigentlichen Bauplatz hinauslaufend eine durchlässige Grenze zwischen den drei
Außenräumen: BORG, HAK und Straße bildet. Der jeweils nach den Vorgaben der Nutzung
sich verdichtende und wieder entspannende Rhythmus der Elemente signalisiert
abwechselnd Offenheit oder Rückhalt und an jeder Stelle die Ablöse der Beliebigkeit durch
den Willen zur Gestaltung.

Die Bibliothek selbst ist ein großer Raum: Behälter des Wissens. Aus dem ehemaligen
Klassenraum des Borg sich nach außen stülpend, ist sie an der Südseite zur Gänze
verglast, wobei Sonnenschutzlamellen über die ganze Front die zarte Fragilität dieser
Fassade eigentlich erst formulieren. Eine Fragilität, welche die geschlossene Nord- und
Westseite mit ihrer gut ablesbaren Massivität wirkungsvoll kontrastieren. Der Übergang
zwischen Alt- und Neubau ist auch an der Nordseite verglast und wird von einer außen
liegenden Stiege zusätzlich erschlossen. Der hier entstandene Platz mit Blick auf beide
Höfe ist als Schlüsselstelle des Bauwerkes folgerichtig mit dem Empfangspult belegt.
Die Bücherregale aus hellem Holz dahinter bewahren durch ihre ohne Aufstiegshilfen zu
bewältigende Höhe den Eindruck des gesamten, lichtdurchfluteten Raumes. Sie bilden
kleine Kojen, deren kontemplative Stimmung das Licht, welches aus den ihnen jeweils
zugeordneten, bündig neben der Nordwand nach oben führenden Lichtkuppeln fällt, sanft
unterstützt.


ARCHITEKT
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