LANDESKINDERKLINIK LINZ

OÖNachrichten „ArchitekTOUR”, 27. Juni 1996
„Neu stört hier nicht alt”, von Romana Ring



Die gelungenen Zubauten der Linzer Landeskinderklinik.

Die Landeskinderklinik Linz von Karl Rebhan ist ein Beispiel qualitätsvoller Architektur der
50er Jahre. Nach 40 Jahren ist eine Adaptierung notwendig geworden. Wachsender Raum-
bedarf, erhöhte Anforderungen an Bauphysik und Baubiologie, neues Verständnis sozialer
und medizinischer Aufgaben haben Erweiterungsbauten notwendig gemacht.

Mit der Beauftragung der Architekten Rüdiger Stelzer, Walter Hutter, Gerhard Fischill aus
Linz ist die Architektur des Altbestandes ebenso wie die des Neubaus in gute Hände gelegt
worden. Das Architektenteam hat die Erweiterungsgebäude in Anlehnung an die schmalen,
langgezogenen Trakte Rebhans mit durchwegs verputzten Fassaden (die sicher sehr
pflegeleichte Verkleidung des Schwesternschultrakts ist späteren Datums) organisiert.
Der medizinische Trakt ist noch in Bau, das Gebäude des Aus- und Fortbildungszentrums ist seit Anfang dieses Jahres in Betrieb.
An der nordwestlichen Ecke des Grundstücks gelegen, setzt er im Norden die Front des
Altbaus fort, läßt mit einer schrägen Wandfläche aber bereits die Flucht der bestehenden
Bebauung im Südwesten ahnen, zu der die Südfassade parallel gedreht ist. Zwei schmale
Baukörper, die eine verglaste Erschließungshalle in die Mitte nehmen, ersticken
Orientierungslosigkeit - ein verbreitetes Manko öffentlicher Bauten - im Keim.
Auch über Organisation und Nutzung läßt die Architektur keine Zweifel aufkommen.
Im östlichen, dreigeschoßigen Gebäudeteil sind Büros und Aufenthaltsräume untergebracht, im westlichen die Hörsäle. Die Architekten nutzen Gegebenheiten wie städtebaulich
vorgegebene Richtungen, ansteigende Sitzreihen der Auditorien oder Fluchtstiegen, um dem
Haus plastischen Ausdruck zu verleihen. Hier unterscheidet sich der Neubau von der
neutralen Hülle der 50er Jahre und bezieht, einer Tendenz unserer Zeit folgend, klar
Position. Der Fehler, zuerst interessant schräge Scherzerln abzuschneiden und sich dann
über die negativen Folgen auf die Nutzung den Kopf zu zerbrechen oder eben nicht,
unterläuft dabei nicht. Wenn es auch nicht vom ersten Augenblick klar gewesen sein mag,
dass ein leicht gekippter Spiegel im Behinderten-WC als Auswirkung eines schräg nach
oben zum Licht sich öffnenden Steigenaufganges umso besser Sicht bieten würde, so gilt
hier sicher die Faustregel: Gute Architektur kennt keinen Zufall.

Die Stimmung im Inneren des Hauses ist durch die großzügig verglasten Flächen positiv
hell und entspricht dank der sorgfältigen und zurückhaltenden Detaillierung der Würde einer
öffentlichen Ausbildungsstätte, ohne die Architektur mit gutgemeinten Aufdringlichkeiten in
den Vordergrund zu rücken.
Die Lichtführung ist ein wichtiges Thema dieses Gebäudes. Sonneneinfall läßt Schatten-
spiele lebendig werden, und die wohltuende Abwesenheit der in glasgedeckten
Hallen nahezu obligatorischen Stickigkeit fällt plötzlich auf: die oberste Fensterreihe ist zu
öffnen. Die Hörsäle bieten durch die Fortsetzung des Glasdaches an ihrer Stirnseite, durch die steil ansteigenden Sitzreihen, das Fensterband an der Rückenwand und durch die gediegen gearbeitete Holzverkleidung optimale optische und akustische Voraussetzungen für den Unterricht.
Der Mehrzwecksaal - er fasst etwa dreihundert Leute - im Kopfteil des Hauses hat einen
dreieckigen Grundriss. Die Hypotenuse öffnet sich auf ganzer Länge verglast zum Garten.
Der Raum scheint vor allem aus Licht und sanften Schatten zu bestehen, alles was er
braucht, um zu funktionieren (Lüftung, Sonnenschutz, Beleuchtung) ist, wie im ganzen
Haus, ohne Wülste und Kanten aufs Manierlichste mit eingebaut. Und das in mehr als
einem Sinne.


ARCHITEKT
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